3) Anmerkungen über den Satz: daß man aus den Menschen machen könne, was man wolle.

Ich habe aber in diesem Werke nicht die Kunst lehren wollen, die Menschen zu seinen Endzwecken zu mißbrauchen, über alle nach Gefallen zu herrschen, jeden nach Belieben für unsre eigennützigen Absichten in Bewegung zu setzen. Ich verachte den Satz, daß man aus den Menschen machen könne, was man wolle, wenn man sie bei ihren schwachen Seiten zu fassen verstünde. Nur ein Schurke kann das und will das, weil nur ihm die Mittel zu seinem Zwecke zu gelangen, gleichgültig sind; der ehrliche Mann kann nicht aus allen Menschen alles machen und will das auch nicht; und der Mann von festen Grundsätzen läßt auch nicht alles aus sich machen. Aber das wünscht und das kann jeder Rechtschaffene und Weise bewirken, daß wenigstens die Bessern ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen; daß niemand ihn verachte; daß er Frieden von außen her habe; daß man ihn in Ruhe lasse; daß er Genuß aus dem Umgange mit allen Klassen von Menschen schöpfe; daß andre ihn nicht mißbrauchen oder bei der Nase herumführen. Und wenn er ausdauert, immer konsequent, edel, vorsichtig und grade handelt, so kann er sich allgemeine Achtung erzwingen, kann auch, wenn er die Menschen studiert hat und sich durch keine Schwierigkeit abschrecken läßt, fast jede gute Sache am Ende durchsetzen. Und hierzu die Mittel zu erleichtern und Vorschriften zu geben, die dahin einschlagen - das ist der Zweck dieses Buchs.*

* Ich muß bei dieser Gelegenheit ein paar Worte über den moralischen Wert und Unwert meiner Vorschriften sagen, weil der Rezensent in der Allgemeinen Literatur-Zeitung (die Rezension ist unerbeten eingeschickt worden) hierüber einige Zweifel äußert. Was ich sagen werde, soll sich nur auf eine Stelle in dieser Rezension beziehn, und wer die nicht gelesen hat, mag diese Anmerkung überschlagen! Es ist kein eigentlicher Unterschied unter dem, was wahrhaftig klug, weise und tugendhaft handeln heißt. Ob eine Handlung gut, schön, anständig sei oder nicht, das kann nur nach der Nützlichkeit der Handlung beurteilt werden, und nützlich ist nichts, was nicht edel ist. Es gibt keine Moral, als die uns lehrt, was wir uns und andern schuldig sind, und keine praktische Weisheit, als die uns tun heißt, was gut ist. Gut sein heißt weise, heißt klug sein; denn List und Ränke sind Torheit. Ich habe nicht gelehrt, wie man gewisse Absichten, sondern wie man die einzige Absicht erreichen soll, sich und andern das Leben süß und leicht zu machen. Das kann weder ohn Moral noch ohne Weisheit geschehn; aber beide zielen auf einen Zweck. Fast in jedem Kapitel habe ich unterscheidend gesagt: das lehrt Klugheit; das sind die Grenzen der Gefälligkeit, der Duldung, der Geschmeidigkeit; das darf, das soll man tun; das ist gleichgültig, dies schädlich, das nützlich; dies Pflicht!

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Über den Umgang mit Menschen


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Auch gut: Der neue Knigge

Drittes Buch
Schluß.
3) Anmerkungen über den Satz: daß man aus den Menschen machen könne, was man wolle.


1) Anrede an die Leser über dies Buch.
2) Über den Nutzen desselben.
4) Warum der Verfasser die Fehler mancher Klassen von Leuten hat aufdecken müssen, und was er noch mehr hätte tun können?
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