4) Über mystische Betrüger, Geisterseher, Goldmacher und dergleichen und über die Anhänglichkeit unsers Zeit alters an Mystik.

Unter den Abenteurern unsrer Zeit spielen die Geisterseher, Goldmacher und andre mystische Betrüger keine unbeträchtliche Rolle. Diese Art von Schwärmerei, nämlich der Glaube an übernatürliche Wirkungen und Erscheinungen, ist sehr ansteckend. Bei dem Gefühle, wie manche Lücke in unsern philosophischen Systemen und Theorien übrigbleibt, solange unser Geist in den Grenzen irdischer Ausdehnung eingeschränkt ist, und bei der Begierde, dennoch über die Grenzen dieser Eingeschränktheit hinaus Blicke zu tun, scheint es dem Menschen ganz natürlich, die unerklärbaren Sachen a posteriori zu erläutern, wenn es mit den Beweisen a priori nicht recht gehn will; das heißt: aus den gesammelten Tatsachen Resultate zu zielen, die ihm angenehm sind, Resultate, die theoretisch durch Schlüsse nicht vollständig herauskommen. Da geschieht es denn, daß, um eine Menge solcher Tatsachen zu gewinnen, man geneigt ist, jedes Märchen für wahr, jede Täuschung für Realität zu halten, damit man seinem Glauben Gewicht gebe. Je aufgeklärter aber die Zeiten werden, je emsiger man sich bestrebt, der Wahrheit auf den Grund zu kommen, desto sichtbarer wird es uns, daß wir auf Erden diesen Grund nicht finden, um desto leichter also geraten wir auf jenen Weg, den wir vorher verachtet haben, solange noch auf dem hellen Wege der Theorien neue Entdeckungen zu machen waren. Ich glaube, das dies eine ungezwungene Erklärung des Phänomens ist, das so manchen höchst wunderbar scheint, des Phänomens, daß in den Zeiten der größten Aufklärung ein blinder Glaube an Ammenmärchen grade am stärksten einreißt.

Diese Stimmung des Publikums nun machen sich eine Menge Betrüger zunutze, die teils planmäßig verbunden, uns zu unterjochen, teils einzeln nach Zeit und Gelegenheit darauf ausgehn, die Augen der Schwachen zu blenden.

Sei es nun dabei auf unsre Geldbeutel oder auf Tyrannei über unsern Willen, oder auf irgendeinen andern moralischen, intellektuellen oder politischen Mißbrauch abgesehn, so ist es immer sehr wichtig, dagegen auf seiner Hut zu sein.

Obgleich ich mich nicht fest überzeugen kann, daß eben alle Abenteurer solcher Art, daß die Cagliostros, Saint Germains, Schröpfer und Konsorten bis auf den armen Masius hinunter sämtlich von einer einzigen Triebfeder regiert werden und daß jeder solcher Wundermann seine Unternehmungen auf denselben Zweck zu leiten die Absicht haben sollte, so sind wir doch denen allen Dank schuldig, die uns vor solchen Abenteurern warnen und uns wenigstens zeigen, wohin das führen könnte. Um aber nicht zu wiederholen, was so vielfältig ist gesagt worden und noch immer gesagt wird, so will ich hier bei dem Betragen gegen Leute von der Art nur folgende Vorsichtigkeitsregeln vorschlagen:

Laß es an seinen Ort gestellt sein, ob man Geister sehn und Gold machen könne oder nicht. Leugne nicht das, wovon Du nicht das Gegenteil so klar beweisen kannst, daß es nicht möglich ist, dagegen etwas einzuwenden - denn Beweise, die auf Vordersätzen beruhn, welche nur konventionell angenommen sind, können bloß den überzeugen, der Lust hat, davon überzeugt zu werden. - Aber baue nicht auf die Möglichkeit einer Sache den Schluß auf ihre Wirklichkeit, noch auf metaphysische Positionen moralische Handlungen. Sollte auch jemand durch Schlüsse überführt werden können, daß wohl sehr wahrscheinlich jedes sichtbare Wesen von einer Menge unsichtbarer umgeben ist, so bleibt es doch immer töricht gehandelt, wenn dies sichtbare Wesen seine sichtbaren Handlungen mehr nach der vermutlich unsichtbaren Gesellschaft, die ihn umgibt, einrichtet als nach den Sitten der wackern wirklichen Personen, unter denen es umherwandelt.

Man zeige also in Worten und Handlungen mehr Wärme für tätige, nützliche Wirksamkeit als für Spekulation, so werden sich die Herrn Mystiker nicht leicht zu uns gesellen.

Gerät man aber an einen solchen Wundermann, und es ist uns daran gelegen, ihn und sein System genauer kennenzulernen, so hüte man sich, vorher Unglauben und Vorwitz zu offenbaren. Er wird sonst bald merken, daß mit uns nicht viel anzufangen ist, daß wir nicht empfänglich für seine Weisheit sind; er wird uns nicht einweihn in seine Geheimnisse, nicht zulassen zu seinem esoterischen Unterrichte, und wir werden den Vorteil entbehren, uns und unsre Freunde von dem wahren Zusammenhange zu unterrichten - ungerechnet, daß es sich wirklich für einen vernünftigen Mann nicht schickt, sich früher für oder gegen eine Sache einnehmen zu lassen, bevor er dieselbe kaltblütig untersucht hat, wäre auch aller Anschein dagegen, besonders wenn es Dinge betrifft, in welchen selbst der Weiseste lebenslang im Finstern tappt.

Glaubt man zuversichtlich einen Betrug entdeckt zu haben, so ist Spott, so ist Persiflage nicht das Mittel, Schwärmer zu bekehren. Man gehe also Schritt vor Schritt, und da die Sinne leichter getäuscht werden können als die Vernunft, so fordre man, bevor man sich auf Erscheinungen, Proben und Prozesse einläßt, daß uns vor allen Dingen zuerst die Theorie, auf welcher das alles beruht, recht deutlich erklärt werde, und hier lasse man sich nicht etwa auf eine bildliche Sprache ein, sondern auf bestimmte, verständliche deutsche Worte und auf den Ideengang und Sprachgebrauch, der einmal unter Gelehrten üblich ist. Es mag vielleicht sehr viel Weisheit in dem Jargon der Mystiker stecken; aber für uns kann nur das Wert haben, was wir verstehen. Man gönne also einem jeden die Freude, einen schmutzigen Kiesel für einen Diamanten zu halten, aber wenn man kein ebenso großer Kenner von Edelgesteinen ist, so sage man gutmütig ohne Scham frei heraus, daß man diesen Stein für nichts anders als für einen schmutzigen Kiesel halten könne. Es ist keine Schande, etwas nicht einzusehn, aber es ist mehr als Schande, es ist Betrug, das Ansehn haben zu wollen, als verstünde man - was man nicht versteht.

Hat Dich indessen ein Landstreicher, ein Goldmacher oder Geisterseher bei Deiner schwachen Seite gefaßt, eine Zeitlang sein Spielwerk mit Dir getrieben - oh, wer ist mehr in dieser Leute Händen gewesen als ich? - und Du entlarvst endlich den Schurken, dann scheue Dich nicht, nein denke, daß es Pflicht ist zur Warnung andrer ehrlicher, leichtgläubiger Leute öffentlich den Betrug bekanntzumachen - möchtest Du auch dabei in keinem sehr vorteilhaften Lichte erscheinen.

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1) Mit Aventuriers, von der unschädlichern Art.
2) Mit denen von schlimmrer Gattung.
3) Etwas von Spielern; über das Spiel und von dem Betragen bei demselben.

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