3) Über das Betragen der Kinder gegen ihre Eltern.
Es ist in unsern Tagen nichts Seltnes, Kinder zu sehn, die ihre Eltern vernachlässigen oder unedel behandeln. Die ersten Bande unter den Menschen werden immer lockrer; die Jünglinge finden ihre Väter nicht weise, nicht unterhaltend, nicht aufgeklärt genug. Das Mädchen hat Langeweile bei der alten Mutter und vergißt, wie manche langweilige Stunde diese bei seiner Wiege, bei Wartung desselben in gefährlichen Krankheiten oder bei den kleinen schmutzigen Arbeiten zugebracht, wie sie sich in den schönsten Jahren ihres Lebens so manches Vergnügen versagt hat, um für die Erhaltung und Pflege des kleinen ekelhaften Geschöpfs zu sorgen, das vielleicht ohne diese Sorgfalt nicht mehr dasein würde. Die Kinder vergessen, wieviel schöne Stunden sie ihren Eltern durch ihr betäubendes Geschrei verdorben, wieviel schlaflose Nächte sie dem sorgsamen Vater gemacht haben, der alle Kräfte aufbot, für seine Familie zu arbeiten, sich manche Bequemlichkeit entziehn, vor manchem Schurken sich krümmen mußte, um Unterhalt für die Seinigen zu erringen. Gutgeartete Gemüter werden indessen nie so sehr das Gefühl der Dankbarkeit ersticken, daß sie meiner Ermahnungen bedürften, und für niedre Seelen schreibe ich nicht. Nur erinnre ich, daß wenn auch Kinder Ursache hätten, sich der Schwachheiten oder gar der Laster ihrer Eltern zu schämen, sie doch weiser und besser handeln, wenn sie die Fehler derselben so viel möglich zu verstecken suchen und im äußern Umgange nie die Ehrerbietung aus den Augen setzen, die sie ihnen in so manchem Betrachte schuldig sind. Segen des Himmels und Achtung aller gutgesinnten Menschen sind der sichre Preis der Sorgfalt, welche die Söhne und Töchter auf die Pflege, Erhaltung und edle Behandlung ihrer Eltern verwenden. Traurig ist die Lage für ein Kind, wenn es durch die Uneinigkeit, in welcher seine Eltern leben, oder sonst in die Verlegenheit gerät, Partei für oder gegen Vater oder Mutter nehmen zu sollen. Vernünftige Eltern werden es aber immer vermeiden, ihre Kinder in solche unglücklichen Zwistigkeiten zu verwickeln, und gute Kinder werden dabei mit derjenigen Vorsichtigkeit zu Werke gehen, die Rechtschaffenheit und Klugheit gebieten.
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Zweites Buch Zweites Kapitel: Von dem Umgange unter Eltern, Kindern und Blutsverwandten. 3) Über das Betragen der Kinder gegen ihre Eltern. 1) Ob Anhänglichkeit an Familie und Vaterland Vorurteil sei. Etwas über Weltbürger-Geist. 2) Über das Betragen der Eltern gegen ihre Kinder. 4) Über den Umgang unter Verwandten. Etwas von alten Oheimen und Basen.
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