18) Etwas von gelehrten Weibern.

Ich muß gestehn, daß mich immer eine Art von Fieberfrost befällt, wenn man mich in Gesellschaft einer Dame gegenüber oder an die Seite setzt, die große Ansprüche auf Schöngeisterei oder gar auf Gelehrsamkeit macht. Wenn die Frauenzimmer doch nur überlegen wollten, wieviel mehr Interesse diejenigen unter ihnen erwecken, die sich einfach an die Bestimmung der Natur halten und sich unter dem Haufen ihrer Mitschwestern durch treue Erfüllung ihres Berufs auszeichnen. Was hilft es ihnen, mit Männern in Fächern wetteifern zu wollen, denen sie nicht gewachsen sind, wozu ihnen mehrenteils die ersten Grundbegriffe, welche den Knaben schon von Kindheit an eingebleuet werden, fehlen? Es gibt Damen, die, neben allen häuslichen und geselligen Tugenden, neben der edelsten Einfalt des Charakters und neben der Anmut weiblicher Schönheit, durch tiefe Kenntnisse, seltene Talente, feine Kultur, philosophischen Scharfsinn in ihren Urteilen und Bestimmtheit im Ausdrucke, Gelehrte vom Handwerke beschämen. Dürfte ich es wagen, hier öffentlich ein paar Namen zu nennen, die ich nie ohne Ehrfurcht ausspreche, so könnte ich beweisen, daß ich Originale zu diesem Bilde nicht weit zu suchen brauchte; allein wie geringe ist nicht die Anzahl solcher Frauen, und ist es nicht Pflicht, die mittelmäßigen weiblichen Genies abzuschrecken, auf Unkosten ihrer und andrer Glückseligkeit nach einer Höhe zu streben, die so wenige erreichen?

Ich tadle nicht, daß ein Frauenzimmer ihre Schreibart und ihre mündliche Unterredung durch einiges Studium und durch keusch gewählte Lektüre zu verfeinern suche, daß sie sich bemühe, nicht ganz ohne wissenschaftliche Kenntnisse zu sein; aber sie soll kein Handwerk aus der Literatur machen; sie soll nicht umherschweifen in allen Teilen der Gelehrsamkeit. Es erregt wahrlich, wo nicht Ekel, doch Mitleiden, wenn man hört, wie solche armen Geschöpfe sich erkühnen, über die wichtigsten Gegenstände, die Jahrhunderte hindurch der Vorwurf der mühsamsten Nachforschungen großer Männer gewesen sind, und von denen diese dennoch mit Bescheidenheit behauptet haben, sie sähen nicht ganz klar darin; wenn man hört, wie ein eitles Weib darüber am Tee- oder Nachttische in den entscheidendsten Ausdrücken Machtsprüche wagt, indes sie kaum eine klare Vorstellung von der Materie hat, wovon die Rede ist. Aber der Haufen der Stutzer und Anbeter bewundert dennoch mit lautem Beifalle die feinen Kenntnisse der gelehrten Dame und bestärkt sie dadurch in ihren unglücklichen Ansprüchen. Dann sieht sie die wichtigsten Sorgen der Hauswirtschaft, die Erziehung ihrer Kinder und die Achtung unstudierter Mitbürger als Kleinigkeiten an, glaubt sich berechtigt, das Joch der männlichen Herrschaft abzuschütteln, verachtet alle andren Weiber, erweckt sich und ihrem Gatten Feinde, träumt ohne Unterlaß sich in idealische Welten hinein; ihre Phantasie lebt in unzüchtiger Gemeinschaft mit der gesunden Vernunft; es geht alles verkehrt im Hause; die Speisen kommen kalt oder angebrannt auf den Tisch; es werden Schulden auf Schulden gehäuft; der arme Mann muß mit durchlöcherten Strümpfen einherwandeln; wenn er nach häuslichen Freuden seufzt, unterhält ihn die gelehrte Frau mit Journalsnachrichten oder rennt ihm mit einem Musenalmanach entgegen, in welchem ihre platten Verse stehen, und wirft ihm höhnisch vor, wie wenig der Unwürdige, Gefühllose den Wert des Schatzes erkennt, den er zu seinem Jammer besitzt.

Ich hoffe, man wird dies Bild nicht übertrieben finden. Unter den vierzig bis fünfzig Damen, die man jetzt in Deutschland als Schriftstellerinnen zählt - die Legion derer ungerechnet, die keinen Unsinn haben drucken lassen - sind vielleicht kaum ein Dutzend, die, als privilegierte Genies höherer Art, wahren Beruf haben, sich in das Fach der Wissenschaften zu werfen, und diese sind so liebenswürdige, edle Weiber, versäumen so wenig dabei ihre übrigen Pflichten, fühlen selbst so lebhaft die Lächerlichkeiten ihrer halbgelehrten Mitschwestern, daß sie sich durch meine Schilderung gewiß nicht getroffen noch beleidigt finden werden. Ist es aber nicht bei männlichen Schriftstellern auch der Fall, daß unter der großen Menge derselben nur wenige ausgezeichneten Wert haben? Gewiß, nur mit dem Unterschiede, daß Begierde nach Ruhm oder Gewinst diese irreleiten kann; die Frauenzimmer hingegen nicht so leicht Entschuldigung finden können, wenn sie mit mittelmäßigen oder weniger als mittelmäßigen Talenten und Kenntnissen eine Laufbahn betreten, welche weder die Natur noch die bürgerliche Verfassung ihnen angewiesen hat.

Was nun den Umgang mit solchen Frauenzimmern angeht, die auf Literatur Anspruch machen, so versteht sich's, daß, wenn diese Ansprüche gerecht sind, ihr Umgang äußerst lehrreich und unterhaltend ist, und was die von der andern Klasse betrifft, so kann ich nichts weiter anraten als - Geduld, und daß man es wenigstens nicht wage, ihren Machtsprüchen Gründe entgegenzusetzen oder ihren Geschmack zu reformieren, wenn man sich auch nicht so weit erniedrigen will, den Haufen ihrer Schmeichler zu vermehren.

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Über den Umgang mit Menschen


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Zweites Buch
Fünftes Kapitel: Über den Umgang mit Frauenzimmern.
18) Etwas von gelehrten Weibern.

1) Erklärung des Verfassers über das, was er etwa zum Nachteile des weiblichen Geschlechts in diesem Kapitel sagen müßte.
2) Umgang mit Frauenzimmern dient zur Bildung des Jünglings und gewährt reine Freuden.
3) Warum äußere und innere Vorzüge nicht immer das einzige sichre Mittel sind, uns in dem Umgange mit Frauenzimmern angenehm zu machen.
4) Die Frauenzimmer lieben an den Männern keine Infirmitäten; warum?
5) Warum man es den Damen nicht zum Vorwurfe machen solle, wenn sie sich für ausschweifende Männer interessieren?
6) Was für ein Anzug den Weibern an uns gefällt.
7) Man soll nicht mehrern Frauenzimmern zugleich einerlei Huldigung bezeigen;
8) Nicht in ihrer Gegenwart andre Damen von eben solchen Ansprüchen zu sehr loben.
9) Bestrebe Dich, ein angenehmer Gesellschafter zu sein, wenn Du den Damen gefallen willst! Schmeichelei gefällt ihnen vorzüglich wohl.
10) Über die Neugier der Weiber.
11) Wie man sich nach ihren Launen richten müsse? Man soll sich ihnen nicht aufdrängen.
12) Sie finden Vergnügen an kleinen Neckereien.
13) Man lasse ihnen den Triumph und beschäme sie nicht!
15) Wie man sich hüten könne nicht verliebt zu werden?
16) Niederträchtigkeit derer,die junge Mädchen betrügen, täuschen, verführen, zu Grunde richten.
17) Über den Umgang mit Koketten und Buhlerinnen.
18) Etwas von gelehrten Weibern.
19) Über die Verstellung der Weiber.
20) Über alte Koketten, Prüde, Spröde, Betschwestern, Gevatterinnen.
21) Noch etwas im allgemeinen, von den Freuden im Umgange mit edlen und verständigen Weibern.

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