10) Über die Neugier der Weiber.
Ein großes Ressort im weiblichen Charakter ist die Neugier. Auch darauf muß man zu rechter Zeit im Umgange mit ihnen zu wirken und dies Bedürfnis nach den Umständen zu erwecken, zu beschäftigen und zu befriedigen verstehn. Sonderbar genug ist es, wie weit oft Vorwitz und Neugier bei ihnen gehen. Auch die mitleidigsten Seelen unter ihnen empfinden zuweilen einen unbezwinglichen Trieb, schreckliche Szenen, Exekutionen, Operationen, Wunden und dergleichen anzuschaun, jämmerliche Mordgeschichten zu hören - Gegenstände, denen sich der weniger weichliche Mann nicht ohne Widerwillen gegenübersieht. Deswegen sind ihnen auch diejenigen Romane und Schauspiele größtenteils die angenehmsten, in welchen Abenteuer ohne Ende, unerwartete Begebenheiten in Menge und Greuel auf Greuel gehäuft sind. Deswegen forschen die Schlimmern unter ihnen so gern nach fremden Geheimnissen und spähen die Handlungen ihrer Nachbarn aus, wenn auch nicht immer Bosheit, Neid und Schadenfreude zum Grunde liegen. Chesterfield sagt: »Wenn Du Dich bei Weibern einschmeicheln willst, so vertraue ihnen ein Geheimnis!« - Freilich wohl nur ein kleines Geheimnis. - Doch warum? Können nicht manche Weiber besser schweigen als ihre Männer? Es kommt nur auf den Gegenstand des Geheimnisses an.
Hinter die Ohren schreiben >>
|