17) Man soll seine Freunde nicht nach der Wärme beurteilen, die sie äußerlich zeigen.
Gaben, Anlagen und die Art, seine Empfindungen an den Tag zu legen, sind bei den Menschen verschieden. Nicht immer ist derjenige der Gefühlvollste, welcher am mehrsten von innern Regungen und Empfindungen schwätzt, nicht immer derjenige der treueste und beharrlichste Freund, der mit dem heftigsten Feuer uns an seine Brust drückt, der mit der größten Hitze hinter unserm Rücken sich unsrer annimmt. Alles Überspannte taugt nicht, dauert nicht; ruhige, stille Hochachtung ist mehr wert als Anbetung, Verehrung, Entzückung. Man verlange daher nicht von jedem denselben Grad von äußern Freundschaftsbezeugungen, sondern beurteile seine Freunde nach der fortgesetzten, immer gleichen Zuneigung und treuen Ergebenheit, welche sie uns in der Tat ohne Übertreibung und ohne Schmeichelei beweisen. Leider aber klassifiziert unsre Eitelkeit mehrenteils den Wert der Menschen nach dem Grade der Huldigung, welche sie uns leisten, und die mehrsten Leute suchen solche Freunde um sich her zu versammeln, an deren Seite sie in doppelt vorteilhaftem Lichte erscheinen und denen ihre Worte Orakelsprüche sind.
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