7) Regeln, wie sich Jünglinge gegen alte Leute betragen sollen.
Es gibt viele Dinge in dieser Welt, die sich durchaus nicht anders als durch Erfahrung lernen lassen; es gibt Wissenschaften, die so schlechterdings langwährendes Studium, vielfaches Betrachten von verschiednen Seiten und kältres Blut erfordern, daß ich glaube, auch das feurigste Genie, der feinste Kopf sollte einem bejahrten Manne, der selbst bei schwächern Geistesgaben Alter und Erfahrung auf seiner Seite hat, in den mehrsten Fällen einiges Zutrauen, einige Aufmerksamkeit nicht versagen. Und wäre auch nicht von wissenschaftlichen Fächern die Rede, so ist doch wohl im ganzen unleugbar, daß die Summe mannigfaltiger Erfahrungen, die jeder in der Welt lebende Mann in einer langen Reihe von Jahren einsammelt, ihn in den Stand setzt, schwankende Ideen zu berichtigen, von idealischen Grillen zurückzukommen, sich nicht so leicht von Phantasie, warmem Blute und reizbaren Nerven irreführen zu lassen, und die Menschen und die Dinge um ihn her aus einem richtigern Gesichtspunkte anzusehn. Endlich dünkt es mich so schön, so edel, dem, welcher nun nicht lange mehr die Schätze und Freuden dieser Welt schmecken kann, den Rest seines Lebens, in welchem gewöhnlich Sorgen und Kümmernisse wachsen und der Genuß vermindert wird, so leicht als möglich zu machen, daß ich kein Bedenken trage, dem Jünglinge und Knaben zuzurufen: »Vor einem grauen Haupte sollst Du aufstehn! Ehre das Alter! Suche den Umgang älterer kluger Leute! Verachte nicht den Rat der kältern Vernunft, die Warnung des Erfahrnen! Tue dem Greise, was Du willst, daß man Dir tun solle, wenn einst Deiner Scheitel Haar versilbert sein wird! Pflege seiner und verlasse ihn nicht, wenn die wilde, leichtfertige Jugend ihn flieht!«
Übrigens aber ist es auch gewiß, daß es sehr viel alte Gecken und Schöpse, so wie hie und da weise Jünglinge gibt, die schon geerntet haben, wo andre noch kaum ihr Handwerksgeräte zum Graben und Pflügen schleifen. |
Zweites Buch Erstes Kapitel: Von dem Umgange unter Personen von verschiedenem Alter. 6) Regeln, wie sich Jünglinge gegen alte Leute betragen sollen. 1) Der interessanteste Umgang hat wohl unter Menschen von gleichen Jahren statt, doch verrücken Temperament, Erziehung u.dgl. auch hier die Grenzen. 2) Alte Leuten sollen die Freuden der jüngeren nicht stören, sondern so viel möglich sich in die frühern Jahre zurückdenken. 3) Sie sollen aber nicht auf eine lächerliche Art jung scheinen wollen. 4) Ihr Umgang muß der Jugend lehrreich sein. 5) Es ist nicht mehr Mode, ältern Leuten Achtung zu beweisen; die heutige Generation ist weit klüger als die Väter waren; der Verfasser gehört aber noch zur alten Welt. 7) Über den Umgang mit Kindern.
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