6) Regeln, wie sich Jünglinge gegen alte Leute betragen sollen.
Nun noch etwas von dem Umgange mit Kindern, aber nur sehr wenig, denn hiervon weitläufig zu reden, das hieße ein Werk über Erziehung schreiben, und das ist ja nicht mein Zweck.
Der Umgang mit Kindern hat für einen verständigen Mann unendlich viel Interesse. Hier sieht er das Buch der Natur in unverfälschter Ausgabe aufgeschlagen. Er sieht den wahren, einfachen Grundtext, den man nachher oft mit Mühe nur unter dem Wuste von fremden Glossen, Verzierungen und Verbrämungen herausfinden kann; die Anlage zu der Originalität in den Charakteren, die nachher leider mehrenteils entweder ganz verlorengeht oder sich hinter der Maske der feinern Lebensart und konventionellen Rücksichten versteckt, liegt noch offen da; über viel Dinge urteilen Kinder, von Systemgeist, Leidenschaft und Gelehrsamkeit unverführt, weit richtiger als Erwachsene; sie empfangen manche Eindrücke weit schneller, haben noch eine große Anzahl Vorurteile weniger gefaßt - kurz, wer Menschen studieren will, der versäume nicht, sich unter Kinder zu mischen! Allein der Umgang mit denselben erfordert auch Überlegung, die im Leben mit ältern Personen wegfallen. Heilige Pflicht ist es, ihnen auf keine Weise Ärgernis zu geben; sich leichtfertiger Reden und Handlungen zu enthalten, die von niemand so lebhaft als von den auf alles Neue so aufmerksam horchenden, so fein beobachtenden Kinder aufgefangen werden; ihnen in jeder Art Tugend, in Wohlwollen, Treue, Aufrichtigkeit und Anständigkeit Beispiel zu geben - kurz, zu ihrer Bildung alles nur mögliche beizutragen. Immer herrsche Wahrheit in Deinen Reden und in Deinem Betragen gegen diese jungen Geschöpfe. Laß Dich herab (jedoch nicht auf eine Weise, die ihnen selbst lächerlich vorkommen muß) zu dem Tone, der ihnen nach ihrem Alter verständlich ist! Zerre, necke die Kinder nicht, wie einige Leute die Gewohnheit haben - das hat böse Einflüsse auf den Charakter. Gutgeartete Kinder werden durch einen ganz eignen Sinn zu edlen, liebevollen Menschen hingezogen, wenn diese sich auch nicht so sehr viel mit ihnen zu tun machen, da sie hingegen andre fliehen, die ihnen außerordentlich gefällig sind. Reinigkeit, Einfalt des Herzens ist das große Zauberband, wodurch dies bewirkt wird, und die läßt sich denn freilich nicht nach Vorschriften lernen. Daß das Herz des Vaters und der Mutter an ihren Kindern hängt, das ist sehr natürlich; eine Klugheitsregel sei es also, wenn uns an der Gunst der Eltern gelegen ist, ihre geliebten Kinder nicht zu übersehn, sondern ihnen einige Aufmerksamkeit zu widmen. Weit entfernt von uns aber bleibe es, die ungezognen Knaben und Mädchen der Großen niederträchtigerweise zu schmeicheln, dadurch den Hochmut, den Eigensinn und die Eitelkeit dieser mehrenteils schon so sehr verderbten Dingerchen zu nähren, zu ihrer moralischen Verschlimmerung etwas beizutragen und das Grundgesetz der Natur zu übertreten, welches befiehlt, daß das Kind dem reifern Alter, nicht aber der Mann dem Knaben huldige. Vor allen Dingen hüte man sich auch, wenn Eltern in unsrer Gegenwart ihren Kindern Verweise geben, nicht etwa die Partei der Kinder zu nehmen, denn dadurch werden diese in ihrer Unart bestärkt und jene in ihrem Erziehungsplane gestört. |
Zweites Buch Erstes Kapitel: Von dem Umgange unter Personen von verschiedenem Alter. 7) Über den Umgang mit Kindern. 1) Der interessanteste Umgang hat wohl unter Menschen von gleichen Jahren statt, doch verrücken Temperament, Erziehung u.dgl. auch hier die Grenzen. 2) Alte Leuten sollen die Freuden der jüngeren nicht stören, sondern so viel möglich sich in die frühern Jahre zurückdenken. 3) Sie sollen aber nicht auf eine lächerliche Art jung scheinen wollen. 4) Ihr Umgang muß der Jugend lehrreich sein. 5) Es ist nicht mehr Mode, ältern Leuten Achtung zu beweisen; die heutige Generation ist weit klüger als die Väter waren; der Verfasser gehört aber noch zur alten Welt. 6) Regeln, wie sich Jünglinge gegen alte Leute betragen sollen.
|
![]() |