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16) Alle diese Vorsichtigkeitsregeln werden doppelt wichtig im Umgange mit vornehmen Dummköpfen.
Wenn Du das glänzende Unglück hast, der Liebling eines schwachen Erdengötzen zu sein, so bereite Dich nicht nur selber dazu vor, daß diese Freude nicht lange dauern, daß ein Schmeichler Dich aus Deinem Posten verdrängen wird; sondern zeige auch sowohl Deinem Sultane, daß Du nicht gänzlich von seinen Blicken lebst, als auch dem Volke, wie wenig Du Dir auf diesen nichtigen Vorzug zugute tust, wie unwesentlich zu Deiner moralischen Existenz ein solcher unbedeutender, zufälliger Glanz ist. Wenn Du dann in tiefe Ungnade fällst, so fliehen doch wenigstens die Bessern nicht vor Dir wie vor einem vernichteten verweseten Menschen, und der undankbare Despot fühlt, daß es noch Leute gibt, die seiner entbehren können. Baue überhaupt nicht auf die Freundschaft, Festigkeit und Anhänglichkeit der Großen. Sie achten Dich, solange sie Deiner bedürfen, sind wankelmütig, glauben lieber das Böse als das Gute, und der letzte hat bei ihnen immer Recht.
Nütze aber die Zeit ihrer Gunst, um sie zur Gerechtigkeit, Treue, Wahrheit und Menschenliebe zu ermuntern. Stimme ihnen nicht bei, wenn sie je vergessen wollen, daß sie, was sie sind und was sie haben, nur durch Übereinkunft des Volks sind und haben; daß man ihnen diese Vorrechte wieder nehmen kann, wenn sie Mißbrauch davon machen; daß unsre Güter und unsre Existenz nicht ihr Eigentum, sondern daß alles, was sie besitzen, unser Eigentum ist, weil wir dafür alle ihre und der Ihrigen Bedürfnisse befriedigen und ihnen noch obendrein Rang und Ehre und Sicherheit geben und Geiger und Pfeifer bezahlen; endlich, daß in diesen Zeiten der Aufklärung bald kein Mensch mehr daran glauben wird, daß ein einziger, vielleicht der Schwächste der ganzen Nation, ein angeerbtes Recht haben könnte, hunderttausend weisern und bessern Menschen das Fell über die Ohren zu ziehn, daß sie aber ohne Trabanten und Wachen ruhig schlafen können, wenn das dankbare Volk, dessen treue Diener sie sind, sie liebt und für das Wohl der Edlen Segen vom Himmel erfleht. - Es versteht sich, daß diese Wahrheiten einiger Einkleidung bedürfen, wenn sie den verwöhnten Ohren der Großen harmonisch klingen sollen.
Willst Du Dich in Gunst erhalten, so mache, daß nie der eitle Große merke, daß Du Dich Deiner Gewalt über ihn freuest, noch daß Du gern Deine Meinung gegen die seinigen durchsetzen wollest. Zeige ihm, daß wirklich Achtung und Liebe zu seiner Person und das Verlangen, nützlich zu sein, Deine Schritte leiten, nicht aber Eigennutz oder kindische Eitelkeit. Aber sei auch nicht so närrisch, billige Vorteile, Belohnungen Deiner Dienste zurückzuweisen, Dein Vermögen aufzuopfern und nachher vielleicht, wenn er Deiner müde ist, Dich mit einem weißen Stabe fortschicken zu lassen.
Über alle Geschäfte, die Dir von Fürsten aufgetragen werden, führe so genaue pünktliche Rechnung und Kontrolle, daß Du zu jeder Zeit die Rechtmäßigkeit Deiner Schritte gegen Verleumder und Ankläger beweisen könnest.
Ungebeten übernimm kein Geschäft, das nicht zu Deinem Amte gehört.
Vermeide es, ihnen durch trocknen, langweiligen Vortrag die Geschäfte noch unangenehmer zu machen, als sie ihnen schon gewöhnlich sind.
Bist Du des Fürsten Günstling, so fehlt Dir's nicht an Neidern und Ausspähern; sei daher dann doppelt vorsichtig in Deinem sittlichen Betragen.
Es gibt immer an Höfen Leute, denen daran gelegen ist, genau zu wissen, wie groß Dein Einfluß auf den Kopf und das Herz des Fürsten ist. Um diese nie in Deine Karte blicken zu lassen, und damit sie nicht wissen mögen, von welcher Seite etwa der Herr gegen Dich gewonnen werden könnte, so vermeide alle Gelegenheit, in andrer Gegenwart mit ihm von Geschäften oder sonst von Gegenständen, über welche Du vielleicht mit ihm nicht gleicher Meinung bist, zu reden.
Sei vorsichtig, höchst vorsichtig in bestimmter Anempfehlung andrer Leute zum Dienste des Fürsten.
Baue nie auf die Anhänglichkeit Deiner sogenannten Kreaturen, das heißt solcher Menschen, die Dir ihr Glück zu verdanken haben.
Versprich nicht Dein Fürwort, wenn Du des Erfolges nicht gewiß bist.
Begünstige die Gesuche der Kreaturen Deiner präsumtiven Feinde in billigen Dingen.
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Über den Umgang mit Menschen
 Auch gut: Der neue Knigge
Drittes Buch
16) Alle diese Vorsichtigkeitsregeln werden doppelt wichtig im Umgange mit vornehmen Dummköpfen.
1) Charakter der mehrsten Großen und Reichen.
2) Unterschied im Umgange mit ihnen, je nachdem man von ihnen abhängt, ihrer bedarf oder nicht.
3) Man soll sich den Vornehmern und Reichern auf keine Weise aufdrängen.
4) Man muß sich nicht das Ansehn geben, als gehörte man zu der Klasse der Vornehmen oder lebte mit ihnen in der engsten Vertraulichkeit, noch ihre Gewohnheiten oder gar ihre Fehler sich eigen machen.
5) Man baue nicht auf alle freundlichen Blicke der Großen und lasse sich da durch nie bewegen, sich mit ihnen gemein zu machen!
6) Grenzen der Gefälligkeit gegen solche Großen, in deren Händen unser bürgerliches Glück ist.
7) Man soll sich von ihnen zu unedeln und gefährlichen Diensten nicht mißbrauchen, sich in keine bedenklichen Händel ziehn noch gewisse Dinge vertraun lassen.
8) Über die Dankbarkeit der Vornehmen und Reichen. Man soll ihnen nichts aufopfern, nichts schenken, nichts leihen, von ihnen nichts borgen.
9) Trage nichts dazu bei, sie und die Ihrigen noch mehr zu verderben, weder durch Schmeichelei noch auf andre Art!
10) Überhaupt soll man bei ihnen vorsichtig im Reden sein und sich aller Medisance enthalten, übrigens aber sie angenehm zu unterhalten suchen.
11) Vorsichtigkeitsregeln in Ansehung solcher Vertraulichkeit mit andern Menschen, woraus Fürsten und Vornehme Verdacht schöpfen können.
12) Rede mit den Großen der Erde nicht von Deinen häuslichen Umständen! Klage ihnen nicht Dein Leid! Vertraue ihnen nichts! Suche ihnen zu zeigen, daß Du ihrer nicht bedarfst! Mache Dich vielmehr ihnen notwendig!
13) Aber hüte Dich, sie Dein Übergewicht fühlen zu lassen, sie zu verdunkeln, besonders Deine Vorgesetzten!
14) Über kleine unschädliche Gefälligkeiten gegen die Großen. Über ihre Liebhabereien und ihren Hang zum Reisen.
15) Betragen, wenn Vornehme und Reiche um Rat fragen.
17) Betragen, wenn man der Liebling eines Erdengötzen ist.
18) Aufführung gegen einen gestürzten Großen.
19) Über die Almosen der Großen.
20) Nicht alle Großen der Erde haben die Fehler ihres Standes. Es gibt edle, gute Menschen unter ihnen.
2l) Noch etwas über den Umgang der Großen und Reichen untereinander.
22) Spöttle nicht über das Kleine an kleinen Höfen!
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