2) Unterschied im Umgange mit ihnen, je nachdem man von ihnen abhängt, ihrer bedarf oder nicht.

Der Umgang mit Großen und Reichen muß aber sehr verschieden sein, je nachdem man ihrer bedarf oder nicht, von ihnen abhängig oder frei ist. Im erstern Falle darf man wohl nicht immer so gänzlich seinem Herzen folgen, muß zu manchem schweigen, sich manches gefallen lassen, darf nicht so kühn die Wahrheit sagen, obgleich ein fester, redlicher Mann diese Geschmeidigkeit dennoch nie bis zu niedriger Schmeichelei treiben wird. Indessen verändern kleine Umstände, sowie die feinen Nuancen der Charaktere das Verhältnis, weswegen ich denn in dem Folgenden alle Regeln für den Umgang mit den Großen zusammenfassen und den Lesern überlassen werde, zu ordnen und auszuwählen, was in jeder Lage anwendbar ist.

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Über den Umgang mit Menschen

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Drittes Buch
2) Unterschied im Umgange mit ihnen, je nachdem man von ihnen abhängt, ihrer bedarf oder nicht.

1) Charakter der mehrsten Großen und Reichen.
3) Man soll sich den Vornehmern und Reichern auf keine Weise aufdrängen.
4) Man muß sich nicht das Ansehn geben, als gehörte man zu der Klasse der Vornehmen oder lebte mit ihnen in der engsten Vertraulichkeit, noch ihre Gewohnheiten oder gar ihre Fehler sich eigen machen.
5) Man baue nicht auf alle freundlichen Blicke der Großen und lasse sich da durch nie bewegen, sich mit ihnen gemein zu machen!
6) Grenzen der Gefälligkeit gegen solche Großen, in deren Händen unser bürgerliches Glück ist.
7) Man soll sich von ihnen zu unedeln und gefährlichen Diensten nicht mißbrauchen, sich in keine bedenklichen Händel ziehn noch gewisse Dinge vertraun lassen.
8) Über die Dankbarkeit der Vornehmen und Reichen. Man soll ihnen nichts aufopfern, nichts schenken, nichts leihen, von ihnen nichts borgen.
9) Trage nichts dazu bei, sie und die Ihrigen noch mehr zu verderben, weder durch Schmeichelei noch auf andre Art!
10) Überhaupt soll man bei ihnen vorsichtig im Reden sein und sich aller Medisance enthalten, übrigens aber sie angenehm zu unterhalten suchen.
11) Vorsichtigkeitsregeln in Ansehung solcher Vertraulichkeit mit andern Menschen, woraus Fürsten und Vornehme Verdacht schöpfen können.
12) Rede mit den Großen der Erde nicht von Deinen häuslichen Umständen! Klage ihnen nicht Dein Leid! Vertraue ihnen nichts! Suche ihnen zu zeigen, daß Du ihrer nicht bedarfst! Mache Dich vielmehr ihnen notwendig!
13) Aber hüte Dich, sie Dein Übergewicht fühlen zu lassen, sie zu verdunkeln, besonders Deine Vorgesetzten!
14) Über kleine unschädliche Gefälligkeiten gegen die Großen. Über ihre Liebhabereien und ihren Hang zum Reisen.
15) Betragen, wenn Vornehme und Reiche um Rat fragen.
16) Alle diese Vorsichtigkeitsregeln werden doppelt wichtig im Umgange mit vornehmen Dummköpfen.
17) Betragen, wenn man der Liebling eines Erdengötzen ist.
18) Aufführung gegen einen gestürzten Großen.
19) Über die Almosen der Großen.
20) Nicht alle Großen der Erde haben die Fehler ihres Standes. Es gibt edle, gute Menschen unter ihnen.
2l) Noch etwas über den Umgang der Großen und Reichen untereinander.
22) Spöttle nicht über das Kleine an kleinen Höfen!
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