4) Man muß sich nicht das Ansehn geben, als gehörte man zu der Klasse der Vornehmen oder lebte mit ihnen in der engsten Vertraulichkeit, noch ihre Gewohnheiten oder gar ihre Fehler sich eigen machen.
Suche nicht, Dir das Ansehn zu geben, als gehörest Du zu der Klasse der Vornehmen oder lebtest wenigstens mit ihnen in engster Vertraulichkeit. Rühme Dich nicht ihrer Freundschaft, ihres Briefwechsels, ihres Zutrauens, noch Deines Übergewichts über sie. Wenn eine solche Verbindung ein Glück ist - ich meine, man kennt hierüber meine Grundsätze - so erfreue man sich in der Stille dieses unbequemen Glücks. Es gibt Menschen, die durchaus dafür angesehn sein wollen, eine größere Figur in der Welt zu spielen, in höherem Ansehn zu stehn, als wirklich der Fall ist. Sie führen auf Unkosten ihres Geldbeutels den Luxus der Vornehmen und Reichen in ihren Häusern oder drängen sich in deren Zirkel ein, wo sie eine elende Figur spielen, nur hinterherlaufen müssen und keinen frohen Genuß haben, indes sie lehrreichern und süßern Umgang gänzlich vernachlässigen und gute Freunde und weise Menschen von sich entfernen. Die geizigsten Leute sparen zuweilen keine Kosten, wenn sie Gelegenheit finden können, Zutritt in großen Häusern zu erlangen, und hungern gern Monate hindurch, um einmal einen Fürsten bei sich zu bewirten, der dieses Opfer gar nicht gewahr wird, nicht dankbar dafür ist, vielleicht Langeweile bei ihnen hat, alles sehr bürgerlich findet und nach vierzehn Tagen wohl gar den Namen des törichten Wirts vergessen hat. Andre lassen es sich wenigstens angelegen sein, die nichtsbedeutenden und verderbten Sitten der Großen pünktlich nachzuahmen, ihre hochmütige Herablassung, ihren geschäftigen Müßiggang, ihre Zerstreuung, ihr Wichtigtun, ihre leeren Vertröstungen, ihre seelenlosen Gespräche, ihre Zweizüngigkeit, Windbeutelei, Gefühllosigkeit, Nachahmung der Ausländer, die Verachtung ihrer Muttersprache, ihre fehlerhafte Schreibart, ja sogar ihre lächerlichen Gebärden, Gewohnheiten und Gebrechen, ihr Stammeln, Lispeln, Achselzucken, ihre Grobheit gegen Niedere, Kränklichkeit, ihr Podagra, ihre schlechte Hauswirtschaft, ihre dummen Launen und mehr dergleichen herrliche Vorzüge zu kopieren und sich eigen zu machen. Ihnen ist der beste Beweis für die Güte einer Sache der, daß sie sagen: Jedermann von Stande handle so und nicht anders, als wenn das eine Narrheit heiligen könnte! - Handle selbständig! Verleugne nicht Deine Grundsätze, Deinen Stand, Deine Geburt, Deine Erziehung; so werden Hohe und Niedre Dir ihre Achtung nicht versagen können. |
Über den Umgang mit Menschen![]() Auch gut: Der neue Knigge Drittes Buch 4) Man muß sich nicht das Ansehn geben, als gehörte man zu der Klasse der Vornehmen oder lebte mit ihnen in der engsten Vertraulichkeit, noch ihre Gewohnheiten oder gar ihre Fehler sich eigen machen. 1) Charakter der mehrsten Großen und Reichen. 2) Unterschied im Umgange mit ihnen, je nachdem man von ihnen abhängt, ihrer bedarf oder nicht. 3) Man soll sich den Vornehmern und Reichern auf keine Weise aufdrängen. 5) Man baue nicht auf alle freundlichen Blicke der Großen und lasse sich da durch nie bewegen, sich mit ihnen gemein zu machen! 6) Grenzen der Gefälligkeit gegen solche Großen, in deren Händen unser bürgerliches Glück ist. 7) Man soll sich von ihnen zu unedeln und gefährlichen Diensten nicht mißbrauchen, sich in keine bedenklichen Händel ziehn noch gewisse Dinge vertraun lassen. 8) Über die Dankbarkeit der Vornehmen und Reichen. Man soll ihnen nichts aufopfern, nichts schenken, nichts leihen, von ihnen nichts borgen. 9) Trage nichts dazu bei, sie und die Ihrigen noch mehr zu verderben, weder durch Schmeichelei noch auf andre Art! 10) Überhaupt soll man bei ihnen vorsichtig im Reden sein und sich aller Medisance enthalten, übrigens aber sie angenehm zu unterhalten suchen. 11) Vorsichtigkeitsregeln in Ansehung solcher Vertraulichkeit mit andern Menschen, woraus Fürsten und Vornehme Verdacht schöpfen können. 12) Rede mit den Großen der Erde nicht von Deinen häuslichen Umständen! Klage ihnen nicht Dein Leid! Vertraue ihnen nichts! Suche ihnen zu zeigen, daß Du ihrer nicht bedarfst! Mache Dich vielmehr ihnen notwendig! 13) Aber hüte Dich, sie Dein Übergewicht fühlen zu lassen, sie zu verdunkeln, besonders Deine Vorgesetzten! 14) Über kleine unschädliche Gefälligkeiten gegen die Großen. Über ihre Liebhabereien und ihren Hang zum Reisen. 15) Betragen, wenn Vornehme und Reiche um Rat fragen. 16) Alle diese Vorsichtigkeitsregeln werden doppelt wichtig im Umgange mit vornehmen Dummköpfen. 17) Betragen, wenn man der Liebling eines Erdengötzen ist. 18) Aufführung gegen einen gestürzten Großen. 19) Über die Almosen der Großen. 20) Nicht alle Großen der Erde haben die Fehler ihres Standes. Es gibt edle, gute Menschen unter ihnen. 2l) Noch etwas über den Umgang der Großen und Reichen untereinander. 22) Spöttle nicht über das Kleine an kleinen Höfen! |
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