3) Ob vollkommene Gleichheit in Temperamenten und Denkungsart zu einer glücklichen Ehe notwendig sei?
Ich glaube nicht, daß eine völlige Gleichheit in Temperamenten, Neigungen, Denkungsart, Fähigkeiten und Geschmack durchaus erfordert werde, um eine frohe Ehe zu stiften; vielmehr mag wohl zuweilen grade das Gegenteil (nur nicht in zu hohem Grade, noch in Hauptgrundsätzen, noch ein zu beträchtlicher Unterschied von Jahren) mehr Glück gewähren. Bei einem Bande, das auf gemeinschaftlichem Interesse beruht, und wo alle Ungemächlichkeit des einen Teils zugleich mit auf den andern fällt, ist es zur Vermeidung übereilter Schritte und deren schädlicher Folgen oft sehr gut, wenn die zu große Lebhaftigkeit, das rasche Feuer des Mannes durch Sanftmut oder ein wenig Phlegma von seiten des Weibes gedämpft wird, und umgekehrt. So würde auch mancher Haushalt zugrunde gehn, wenn beide Eheleute gleichviel Lust an Aufwand, Pracht, Üppigkeit, einerlei Liebhabereien oder gleichviel Hang zu einer nicht immer wohlgeordneten Wohltätigkeit und Geselligkeit hätten; und da unsre jungen Romanleser und -leserinnen gemeiniglich die Ideale zu ihren künftigen Lebensgefährten nach ihrem eigenen werten Ich schnitzeln, so ist es doch so übel nicht, wenn zuweilen ein alter grämlicher Vater oder Vormund einen Querstrich durch dergleichen Verbindungspläne macht. - So viel nur von der Wahl des Gatten, und das ist beinahe schon mehr, als eigentlich hierhergehört.
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