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8) Eheliche Pflicht schließt aber nicht alle zärtlichen Empfindungen für andre Personen aus.
Übrigens aber kann nichts abgeschmackter, läppischer, lästiger, von verkehrterer Wirkung sein, noch was mehr das Leben verbittert, als wenn Eheleute durch die priesterliche Einsegnung ein so ausschließliches Recht auf jede Empfindung des Herzens voneinander erzwungen zu haben glauben, daß sie wähnen, nun dürfe in diesem Herzen auch nicht ein Plätzchen mehr für irgendeinen andern guten Menschen übrigbleiben; der Gatte müsse tot sein für seine Freunde und Freundinnen, dürfe kein Interesse empfinden für kein Geschöpf auf der Welt als für die werte Ehehälfte, und es sei Verbrechen gegen die eheliche Pflicht, mit Wärme, Zärtlichkeit und Teilnahme von und mit andern Personen zu reden. Diese Forderungen werden doppelt abgeschmackt bei einer ungleichen Ehe, wo von der einen Seite schon Aufopferungen mancher Art stattfinden. Wenn da der eine Teil, um sich in dem Umgange mit liebenswürdigen Leuten aufzuheitern, auf einen Augenblick sein Unglück zu vergessen und neue Kräfte zum Ausdauern zu sammeln, seinen Geist zu erheben und wieder zu erwärmen, in die Arme zärtlicher, ihm wahrhaftig treu ergebener Freunde eilt, so soll der andre Teil ihm dafür danken, nicht durch närrisches Betragen oder gar durch Vorwürfe den Gatten, die Gattin kränken, zur Verzweiflung bringen und endlich zu wirklichen Verbrechen verleiten.
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